Begegnung mit einer Feministin

Dieser Eintrag stammt von Henrike Pommeranz

Von den politischen Bewegungen und Unruhen des Jahres 1968 bekam Eva-Maria Baumgart, damals noch wohnhaft in Kassel, eigentlich wenig mit; und wenn, dann nur über Radio, Fernsehen oder die Zeitung – sie machte eine Ausbildung bei der Kaufhauskette Kaufhof. Das einzige, was sich hierzu in ihrem Umfeld ereignete, war, dass die Verkäuferinnen in der Parfümerie-Abteilung durchsetzen konnten, Hosen anziehen zu dürfen, weil die Röcke nur im Wege waren und die Verkäuferinnen sich in der Zugluft erkälteten.

Im Jahre 1969, mit 22 Jahren also, beschloss Eva, ihre Ausbildung abzubrechen und doch noch zu studieren, unter anderem Mineralogie, weil ihr gesagt wurde, dass es hier keine Arbeitslosen geben würde. Angeregt von den vielen Bildungsdiskussionen begann sie ihr Studium in Göttingen und zog mit ihrem Verlobten zusammen, was in beiden katholischen Familien für kleine Skandale reichte, allerdings keinesfalls für eine Änderung ihrer Entscheidung genügte. Mit der Zeit begannen sie, nicht nur in ihren Familien zu rebellieren, sondern beteiligten sich auch an öffentlichen Demonstrationen, nicht zuletzt gegen Staatssanierungen und dergleichen. Überall riefen Vereinigungen zu Verbrüderungen und Gleichheit auf – auch ihre eigene Studentengemeinde. Hierbei waren die Protestanten in der Überzahl, was bedeutete, dass sie von mehr Rechten profitieren konnten, was wiederum zu Ungereimtheiten und kleineren Machtkämpfen führte. Schließlich wollten die Katholiken auch ihre Pfarrer selbst wählen dürfen und nicht immer Ärger bekommen, nur weil sie – wie in jener Studentengemeinschaft – angeblich zu viel mit den Protestanten unternahmen.

Nach viel Korrespondenz und mehreren Forderungen auf beiden Seiten wurde Eva mit ihrer Clique zum Bischof nach Hildesheim zitiert und kurzerhand aus der katholischen Kirche geworfen. Trotzdem blieben sie in der Studentengemeinschaft wohnen, wechselten die Türschlösser aus und wurden durchs Fenster mit Essen und Trinken verpflegt.

1971 kam schließlich doch ein neuer Pfarrer, ein einstiger Missionar aus Buenos Aires / Argentinien, der sich dort mit Kindern aus den Slums beschäftigt hatte und nicht allzu konservativ war. Doch nach diesem Erfolg schien sich die Clique aufzulösen; man konzentrierte sich wieder stärker aufs Studium und Eva und Claus, ihr Mann, zogen wieder in eine eigene Wohnung, als sie erfuhren, dass Eva schwanger war. Doch der Stress stieg ihr zu Kopf, und sie konnte die hohen Ansprüche, die sie an sich selbst stellte, nicht mehr erfüllen. Durch eine Flugblattaktion bekam sie von Frauenbewegungen Wind und schöpfte neuen Lebensmut; sollte sie doch, eine Frau aus einer Arbeiterfamilie, mit einem Mal Rechte, die nur für sie als Frau zählten, beanspruchen dürfen.

Eva versuchte, nicht in allem perfekt sein zu müssen und als sie ihre Tochter zur Welt brachte, gründete sie mit Freunden einen Kinderladen. Das bedeutet, dass sie sich mit der Beaufsichtigung und Erziehung der Kinder abwechselten und so auch mehr Zeit und Ruhe für sich und ihre Studien hatten. Der Babytausch brachte mal Ruhe, aber auch des Öfteren wieder Doppelbelastung und Abschreckung vor dem Familienleben, egal, ob geregelt oder nicht, ein. Mitte der 70er Jahre gründete Eva mit anderen Frauen den Verband „Frauen aus Naturwissenschaft und Technik“, weil immer mehr Frauen in „Männerberufe“ gingen und dabei Probleme auftauchten; sie als Mathematik- und Physikstudentin wurde ja selbst des Öfteren nur müde belächelt und wenig ernst genommen – von Männern wie Frauen. Ein Kongress dieses Vereins tagt seit 1977, damals in Aachen, jedes Jahr.

Eva bleibt nach wie vor in Sachen Frauenbewegung aktiv, verdammt mit Hassliebe Islam, Kirche und Supermodels und bezeichnet sich selbst als Emanze – auch wenn sie mich noch nie nach einer „Salzstreuerin“ oder „Kochtöpferin“ gefragt hat.

Warum mich diese Thema interessiert hat, ist einfach zu sagen: Erstens wollte ich (bevor ich Eva kennen lernte) Feministin werden, (was sich mit 12 jedoch legte, als ich bemerkte, dass ich mehr Feministen als Feministinnen kannte, was ich wiederum furchtbar widersprüchlich und sinnverdrehend finde) und zweitens interessiert mich die Zeit der 60er und 70er Jahre ohnehin brennend.

Anhang

Die Fotokopie des Blattes mit den Comics, die im übrigen von Eva-Marias Mann Claus gezeichnet wurden, wirbt für das vierte Treffen des Vereins „Frauen aus Naturwissenschaft und Technik“ in Göttingen im Februar 1979, den Eva mit organisierte.

Comic zur Frauenbewegung

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