Briefe aus einer fernen Zeit

Dieser Eintrag stammt von Emmelie Witt (*1990)

Wilhelm Jungjohann
Wilhelm Jungjohann

Feldpost aus dem ersten Weltkrieg geschrieben von Wilhelm Jungjohann geb. 3.6.1887 in Elmshorn, gest. 3.11.1915 in Galizien. Musketier in der Kaiserlichen deutschen Südarmee (1. Bataillon, 3. Kompanie)

Dieser Zeitzeugenbericht ist über meinen Großonkel verfasst und beinhaltet einige Feldpostkarten und Briefe, die zur Zeit des ersten Weltkrieges geschrieben wurden. Wilhelm Jungjohann ist am 3. Juni 1887 in Elmshorn geboren und aufgewachsen. Er besuchte auch eine dortige Schule. Nach der Schulzeit erlernte er das Konditoren-Handwerk. Seine Ausbildung fand in deutschen Betrieben, aber auch in Dänemark (Kopenhagen) und in der Schweiz (Basel) statt. 1914 wurde Wilhelm Jungjohann mit 27 Jahren eingezogen, da der erste Weltkrieg begonnen hatte. In Altona wurde er zum Infanteristen ausgebildet. Danach ist er nach Polen verlegt worden. Dort wurde er an der Front eingesetzt und fiel 1915 in Galizien (Polen). Nach dem ersten Weltkrieg beanspruchte die Ukraine den Osten von Galizien und Polen den Westen. 1919 wurde Ostgalizien aber doch polnisch. Das wohl bekannteste Ereignis in Galizien ist die Neujahresschlacht von Mitte Dezember 1915 bis Januar 1916. Russland wollte das neutrale Rumänien zum Kriegseintritt bewegen, nachdem die Dardanellen-Offensive gescheitert war. Mitte Dezember 1915 gelang den Russen ein Vorstoß (130 km) an der Österr.-Ungar.-Front. Die Mittelmächte wiesen die russische Offensive durch heftige Kämpfe ab. Anfang 1916 blieben auch verstärkte Angriffe ohne Erfolg. Am 15.1.1916 wurde die Offensive endgültig abgebrochen wegen starker Witterungsverhältnisse und keiner Aussichten auf einen Durchbruch und wegen der starken Verteidigung der habsburgischen Truppen. Die Rumänen hielten sich weiter aus dem Krieg heraus.

Feldpostkarten und Briefe von Wilhelm Jungjohann an seine Familie und Geschwister

Lunapark 29. März 1915

Liebe Eltern! Gestern hatten wir den ersten Urlaub, bis ½ 9 Uhr sind wir nicht dran. Die Kiste habe ich dankend mitgenommen. Bis Ostern habe ich genug zu futtern, schickt mir deshalb nicht mehr. Hat Jonny noch einen Brief eingeschickt, Anna? Wäre Ostern ganz gern in Elmshorn. Mir geht es sonst besser. Morgen haben wir Ausmarsch, nachmittags Schützengrabenübung. Dazu bekommen wir jetzt die blauen (…). So geht es den ganzen Tag nun bisher weiter.

Herzliche Grüße für euch alle,

Willi

Altona 17. April 1915

Liebe Eltern! Der Urlaub ist mir nicht gebilligt worden, ich habe Schonung gehabt und darum Sonntag auch noch Schonung. Am Montag aber werde ich nach der Aufstellung gehen. Lieber Hans! Heini möchte zwei kleine Kisten Zigarren haben, falls du kommst, ich bin Sonntag zu Hause und darf nicht raus. Herzliche Grüße an euch alle,

Willi

Altona 19. Juni 1915

Lieber Hans! Deine Karte habe ich erhalten und von den Neuigkeiten dankend Notiz genommen. Ob ich Sonntag komme ist noch fraglich, wenn auch nur auf einige Stunden, haben Kirchgang. Heute schießen gehabt, stehend freihändig, Bedingung erfüllt. Morgen geht es mal wieder nach der Pinneberger Jugend. Herzliche Grüße und Wiedersehen,

Willi

24. Oktober 1915

Liebe Eltern!

Ein Stollenrezept kann ich euch mit Sicherheit nicht angeben. Es ist ungefähr: 7u Mehl 1u Zucker 2 ½ u Butter ½ u Mandeln ½ (…) 2u Korinthen und Rosinen gut verarbeitet 1u (…) etwas Muskat und Zitrone. Außerdem ½ u Hefe. Ihr müsst in meinem Kurzbrief nachlesen, wo auf der ersten Seite glaube ich ein Stollen-Rezept steht. Das zu 1u Teig 90 Pfund ist eigentlich (…) bei euch gewesen. (…) scheint es doch auf keiner Karte; Ihr habt (…) noch nicht geschrieben. Wie ihr schon wisst, liegen wir hier in Reserve. Heute Morgen hatten wir mal wieder Feldgottesdienst, das 2te mal. Heute Nachmittag ist wieder Kartoffeln ausbuddeln wie jetzt jeden Tag. Es ist ja mäßig kalt, aber wir haben auch allerlei Winterwäsche bekommen, auch wollene Decken. Es ist möglich, dass wir hier noch sehr lange bleiben. Gestern habe ich auch Kameraden wieder gesprochen (…) es sieht gut aus.

Herzliche Grüße für heute

Euer Willi

Die Flasche Magenbitter habe ich bekommen. Schmeckt aber nicht.

27. Oktober 1915 (letzter Brief vor seinem Tod)

Liebe Eltern!

Heute haben wir hier den ersten Schnee, die ganze Landschaft ist auf einmal weiß. Der Winter ist noch verhältnismäßig spät eingetroffen, es soll hier mächtig kalt werden. Schickt mir bitte noch eine Dose Wybert Tabletten für Erkältung auch einige 100 Freimarken.

Die Apfelmarmelade war sehr gut, und Marmelade auf Brot schmeckt nicht übel, ich habs hier auch erst gelernt. Einige Feld(…) (…) müsste ich auch haben. Briefe schreiben ist hier recht schwierig. Hoffentlich geht’s euch immer noch allen gut wie auch mir.

Es grüßt euch sehr herzlich,

Euer Willi

Briefe von Kameraden und Bekannten an Willhelm Jungjohann

Royon 5. Dezember 1914

Lieber Willi!

Habe zu Fräulein Weber heute schon geschrieben und wegen Marzipansachen, sie soll dieselben bei dir holen, hoffentlich kannst du sie noch mit fertig bekommen. Da sie ja noch nicht weiß, was ungefähr zu (…) gebraucht wird, d.h. welche Sorten Marzipantorten die gangbarsten sind, möchte ich dich bitten mit Fräulein Weber mal darüber zu sprechen. Ach habe ich ihr geschrieben sie möchte die braunen Kuchen bei dir holen. Welche Prozente du geben kannst, will ich dir überlassen denn ich weiß ja nicht, was Zucker und Masse kostet. Ihr beide werdet euch wohl darüber einig werden. Wir liegen noch immer hier in Royon, müssen hier noch wohl Weihnachten feiern. Das 9. Armee-Korps liegt im Zentrum der ganzen Linie, die Flügel müssen erst herum. Daher müssen wir solange auf einer Stelle liegen. Hier passiert auch nichts Neues. (…) Schrader zum Hofe ist ja auch gefallen ich habe es gestern in der Zeitung gelesen. Mancher wird wohl noch fehlen, wenn der Krieg zu Ende ist, die Kämpfe sind hier furchtbar blutig aber (…) (…). Auch hier liegen die Lazarette voll. Bei der ersten Kolonne ist Typhus ausgebrochen auch wir haben 2 oder 3 doch scheint es nicht weiter um sich zu greifen. Vorigen Monat haben wir einige Tage Frostwetter gehabt doch nun ist wieder Regenwetter, wenn es noch nicht jeden Tag regnet, aber recht oft doch. Gestern haben sie hier einen Flieger herunter geschossen, mit dem fünften Schuss. Ein Engländer war es. Den Flieger haben sie bekommen der Beobachter ist ausgerüstet. Sonst gibt es hier nichts Neues. Also machen wir es so. Du sprichst bitte mit Fräulein Weber darüber.

Grüße bitte alle Freunde und Bekannte und sei du recht herzlich gegrüßt von deinem Freund

Otto

England 25. Januar 1915

Lieber Willi!

Teile ihnen mit, dass ich ihren lieben Brief vom 8.12.1914 am 11.1.1915 erhalten habe. Ihr liebes Paket mit den Zigarren habe ich am 23.1.1915 bei bester Gesundheit erhalten und spreche ihnen meinen allerbesten Dank hierfür aus. Wie geht es sonst in Elmshorn? Ist das Weihnachtsgeschäft gut gewesen? Hoffentlich haben sie meine Karten und Briefe erhalten. In der Hoffnung bald von ihnen zu hören, verbleibe ich mit vielen Grüßen an ihre Eltern und Geschwister

Ihr Richard Lill

(Richard Lill befand sich zum Zeitpunkt dieses Briefes in britischer Gefangenschaft)

Oberstaufen 10. Oktober 1915

Mein Lieber Willi!

Gestern kam deine Karte vom 30.9.1915 hier an. Es tat mir doch leid so viele liebe Kerle mir von nun ab tot vorstellen zu müssen. Husselmann der so oft freiwillig Patrouille ging. Der faule Müller der sich so genial drücken konnte. Am meisten bedrückt mich jedoch unseres braven Läßmanns Tod. Er war allzeit geradeaus und lustig der gute Klaspeter. Bajonett sind mir etwas fern. Der Kranführer war mir sehr sympathisch. Von den Verwundeten will ich annehmen, dass sie nach beendetem Feldzug als voll und ganz geheilt zu den ihren zurückkehren können. Solltest du je einen von Ihnen treffen, so bringe ihnen meinen herzlichsten Wunsch baldiger Genesung zum Ausdruck. Ich habe ein Leitwort, das ich oft in meinem Leben vor Augen gehalten habe. Es stammt vom alten General Feldmarshall Moltke und heißt: „Glück hat auf Dauer nur der Tüchtige.“ Je nun, Eheretin war der Tüchtige und sieh mal an wie komisch, er allein ist von allen Einjährigen noch übrig geblieben. Grüße ihn speziell von mir.

Hier bei uns sind auch genügend Einjährige, wenn man die kleine Mannschaftszahl unserer Truppe bedenkt. Aber die Herren haben hier nicht das Geringste zu sagen. Ja das Ausbildungspersonal hat nur einen einzigen und der ist nur auf persönliche Tätigkeit hin dazu gekommen. Bei unseren Waffen ist nämlich die Verwendung von Dösköppen ausgeschlossen. Verzeih aber hier könnte selbst meine erste Korporal-Schaft nicht mit, weil sie ja alle mehr oder weniger minder Fehler haben, oder sie Gebirgsdienst untauglich machen. Meine Kameraden mit denen ich ausgebildet worden bin, sind alle ins Feld gekommen, bis auf Einzelne. Ich bin wieder einmal zurückgeblieben.

Genauso wie seiner Zeit in Altona, wie ihr ins Feld rücktet. Bin hier nämlich zum Lehrpersonal gekommen und soll nun Rekruten mit ausbilden. Darüber kann der ganze Winter vergehen und ich komme nicht ins Feld. Ob ich froh darüber bin? Je nun das Ding hat zwei Seiten. Der Dienst wird mir ja keine Beschwerden mehr machen. Aber ich will doch auch endlich ins Feld. Habe mich ja bereits mal freiwillig gemeldet, aber der Feldwebel lässt mich nicht weg. Na auch gut, in Oberstaufen wird man wenigstens nicht totgeschossen. Stubenältester bin ich nun glücklich auch. Brauche da wenigstens keinen Stubendienst zu machen. Lass bald mal ausführlicheres von dir hören.

Mit den besten Grüßen,

dein treuer Kamerad und Freund Karl

 

Überprüfte Feldpostkarte
Überprüfte Feldpostkarte

Mit dieser Feldpost ist Wilhelm Jungjohann mit seiner Familie und mit seinen Freunden in Kontakt geblieben. Er hat insgesamt 108 Karten und Briefe geschrieben. Davon ca. 2/3 an seine Eltern und 1/3 an seine Geschwister. Er hat im Durchschnitt jeden zweiten Tag geschrieben. In manchen Monaten weniger, in manchen mehr. Allerdings kann man den Briefen auch entnehmen, dass die Soldaten fast gar keine Angst gezeigt haben.

Feldpostkarte an die Familie
Feldpostkarte an die Familie

In den Briefen an seine Familie berichtet Wilhelm sowieso kaum über seine Erlebnisse aus dem Krieg. Dies tat er wohl, um seiner Familie die Angst zu nehmen. In den Briefen, die er von seinen Kameraden bekommen hat, erfährt man umso mehr. Natürlich konnten sie auch nicht alles schreiben, weil die Post überprüft wurde.

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